Wissen zu sexualisierter Gewalt
Definition Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch an Kindern unter 14 Jahren ist im Strafgesetzbuch klar definiert (§ 176 ff. StGB). Dazu gehören alle sexuellen Handlungen, die ein Erwachsener an oder vor einem Kind durchführt oder das Kind dazu nötigt, diese durchzuführen. Auch das Zeigen pornographischer Fotos oder Filme gehört dazu und ist ein Straftatbestand.
Häufigkeit von sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland
Die Anzahl der angezeigten Fälle, das heißt die polizeilich bekannten und statistisch erfassten Fälle, steigen Jahr für Jahr. Diese sind nachzulesen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unter www.bka.de für Deutschland und unter www.polizei.bayern.de für Bayern gesamt und die einzelnen Regierungsbezirke.
Wo findet sexualisierte Gewalt statt?
Wenige Täter und Täterinnen sind den betroffenen Kindern oder Jugendlichen wirklich fremd. Aus der Perspektive der Täter und Täterinnen ist es viel einfacher, auf bestehende Vertrauens-, Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zu bauen, als einen Kontakt zu fremden Kindern oder Jugendlichen herzustellen.
Sexualisierte Gewalt im sozialen Nahraum/in der Familie
Kindern und Jugendlichen widerfährt sexualisierte Gewalt vor allem im nahen sozialen Umfeld. Hierzu gehören der Freundes- und Bekanntenkreis der Familie, die Nachbarschaft, die Verwandtschaft und auch die Familie selbst.
In vielen Fällen besteht ein Vertrauensverhältnis, in manchen Fällen ist das Kind oder die bzw. der Jugendliche dem Erwachsenen innig verbunden. Diese Nähe und das Vertrauensverhältnis wird vom Täter oder von der Täterin ausgenutzt, die meisten Mädchen und Jungen sind ahnungslos – sie spüren zunächst keine Gefahr und können sich deshalb kaum schützen.
Bei innerfamiliärer sexualisierter Gewalt ist es für nicht missbrauchende Elternteile und andere Familienmitglieder oft schwer, die Taten wahrzunehmen. Sexuellen Missbrauch trauen die meisten Menschen eher Außenstehenden als den Angehörigen zu. Je näher der Täter oder die Täterin dem Kind oder Jugendlichen steht, desto schwieriger ist es für die Betroffenen, sich aus den Macht- und Abhängigkeitsstrukturen zu lösen und sich Hilfe zu holen. Gerade in Fällen, in denen der Täter oder die Täterin hohes Ansehen bei den Eltern genießt oder eine Respektsperson für oder in der Familie ist, können sich Mädchen und Jungen kaum vorstellen, dass ihnen geglaubt wird und dass sie Unterstützung erhalten.
Missbrauch in Institutionen
Auch Bildungs-, Freizeit- und Sporteinrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, sind Orte, an denen sexueller Missbrauch stattfindet. Potenzielle Täter und Täterinnen wählen häufig pädagogische oder therapeutische Berufe oder (ehrenamtliche) Betätigungsfelder, in denen es möglich ist, sich Kindern und Jugendlichen leicht und auch dauerhaft zu nähern. Sie nutzen die Autorität aus, die ihnen in anerkannten – etwa pädagogischen, sportlichen oder religiösen – Einrichtungen zukommt, und profitieren von dem Vertrauen, das Eltern ihnen entgegenbringen.
Quelle: Text in Anlehnung an UBSKM
Wo Missbrauch beginnt
Die Handlungen, die als sexuelle Gewalt oder Missbrauch bezeichnet werden, weisen eine große Bandbreite auf. Nicht jede sexuelle Gewalt ist strafbar, aber jede sexuelle Gewalt verletzt Mädchen und Jungen.
Sexuelle Gewalt beginnt bei sexuellen Übergriffen wie verbaler Belästigung, voyeuristischem Taxieren des kindlichen Körpers, aber auch flüchtigen Berührungen des Genitalbereichs oder der Brust über der Kleidung. Passiert die Berührung aus Versehen, spricht man nur von einer Grenzverletzung, die mit einer Entschuldigung aus der Welt geschafft werden kann.
Um strafbaren Missbrauch handelt es sich, wenn sexuelle Handlungen am Körper des Kindes stattfinden oder der Erwachsene bzw. Jugendliche sich entsprechend anfassen lässt, z.B. die Genitalien des Kindes manipuliert, ihm Zungenküsse gibt, sich vom Kind befriedigen lässt. Zu den schweren Formen zählen Vergewaltigungen aller Art: vaginal, oral, anal. Es gibt auch Missbrauchshandlungen, die den Körper des Kindes nicht direkt einbeziehen, z.B. wenn jemand vor einem Kind masturbiert, sich exhibitioniert, dem Kind gezielt pornografische Darstellungen zeigt oder es zu sexuellen Handlungen an sich selbst - beispielsweise auch vor der Webcam - auffordert.
Das Fotografieren oder Filmen von Missbrauchshandlungen ist eine besondere Form sexuellen Missbrauchs.
Sprachgebrauch – „sexueller Missbrauch" oder „sexuelle bzw. sexualisierte Gewalt"?
In Deutschland wird der Begriff „sexueller Missbrauch" in der breiten Öffentlichkeit, in den Medien und von vielen Betroffenen verwendet. Auch das Strafgesetzbuch spricht von sexuellem Missbrauch, meint aber anders als der allgemeine Sprachgebrauch damit nur die strafbaren Formen sexueller Gewalt.
Fachpraxis und Wissenschaft sprechen häufig von „sexueller Gewalt an Kindern bzw. Jugendlichen". Diese Formulierung stellt heraus, dass es sich um Gewalt handelt, die mit sexuellen Mitteln ausgeübt wird. Der ebenfalls verwendete Begriff „sexualisierte Gewalt" geht noch einen Schritt weiter und verdeutlicht, dass bei den Taten Sexualität funktionalisiert, also benutzt wird, um Gewalt auszuüben.